Trauma und Yoga

Trauma, vor allem Bindungstrauma, ist weit verbreitet. Die Zahlen für Deutschland liegen irgendwo zwischen 43 und 88 Prozent, je nach Studie. Mit Bindungstrauma einher geht das Risiko, gesundheitliche Probleme zu entwickeln.

Auf der Suche nach Hilfe stoßen viele Menschen auch auf Yoga. Auf zahlreichen Plattformen wird ein wunderschönes Bild von Yoga propagiert – Kraft, Beweglichkeit, Ästhetik, ansprechende Aufnahmen, beruhigende Musik – und das alles übertitelt mit den Trendwörtern „Achtsamkeit“, „Inspiration“, „Mindfulness“, „Yogabody“… Das kann allerdings verschiedene Reaktionen auslösen: Entweder ein „das will ich“ oder ein „das kann ich eh nie erreichen“.

Yoga als Entdeckungsreise

Dabei ist gut zu wissen, dass es bei Yoga nicht um Performance geht sondern darum, sich innerlich auszudehnen, an der eigenen Präsenz zu arbeiten, Möglichkeiten der Selbstregulation zu entdecken. Nicht die tadellose Ausführung einer Körperhaltung sondern mein Erleben in dieser Körperhaltung (egal wie perfekt oder unperfekt ich sie ausführen kann) steht im Vordergrund.

Dass Yoga bei Stress oder drohendem Burn-out hilfreich und effektiv sein kann ist längst bewiesen, Arbeitgeber und Krankenkassen unterstützen die Teilnahme oft. Yoga kann aber auch eine unglaubliche Bereicherung sein für Menschen, die an den Folgen eines Traumas leiden. Denn Trauma betrifft nicht nur die Psyche, sondern auch den Körper. Die Reaktionen Kampf/Flucht/Einfrieren sind oft fest im Körper verankert, ohne sich entladen zu können. Bei der Suche nach Yogaunterricht sollten allerdings ein paar Dinge beachtet werden.

Worauf du achten solltest

Hauptthema für Betroffene ist das Thema Sicherheit. Deswegen ist der sichere Rahmen so wichtig. Das betrifft zunächst das Setting. Was ist damit gemeint?

Der Kurs

Der Aufbau des Kurses: suche dir jemanden, der überschaubare Einheiten anbietet. Dann bist du nicht so lange gebunden, wenn dir der Unterricht nicht zusagt. Nimm jemanden, der keine Schnupperstunden anbietet, dann läufst du nicht Gefahr, dauernd mit fremden Menschen konfrontiert zu werden, sondern hast eine feste Gruppe um dich, die du langsam kennenlernen kannst. Eine kleine Gruppe ist oft weniger überwältigend. Eventuell willst du auch lieber in eine reine Frauen- oder Männergruppe. Kurze Einheiten sind eventuell besser verdaulich. Starte nicht mit einem Wochenendworkshop.

Der Raum

Der Raum: Manchmal wird Yoga im Freien angeboten. Überlege hier gut, ob das wirklich für dich passt und du dich auf dich selbst einlassen kannst, wenn Spaziergänger dich sehen können oder du die Umgebung nicht überblicken kannst, du keine Wand im Rücken hast. Der Raum, in dem Yoga stattfindet, sollte dir die Möglichkeit geben, dich unbeobachtet zu fühlen, so dass du dich ganz ohne Ablenkung auf die Stunde einlassen kannst. Glaswände, wie in Fitnessstudios oft üblich, bieten nicht unbedingt einen geschützten Rahmen. Auch die Größe ist eventuell ein Faktor – zu groß kann sich auch unsicher anfühlen, ebenso wie du vielleicht nicht Matte an Matte mit anderen Teilnehmern liegen möchtest.

Der Lehrer

Der Lehrer: Im Idealfall weiß dein Yogalehrer, was ein Trauma ist. Es gibt inzwischen sogar spezielle Ausbildungen für traumainformiertes oder traumasensibles Yoga und auch in Yogatherapie. Eigentlich jedoch sollte jeder Lehrer Yoga so unterrichten, dass alle willkommen sind. Vielleicht willst du dich vorher ein wenig informieren – ein Lebenslauf auf der Homepage kann hilfreich sein, oder du fragst bei der Anmeldung ein wenig nach, wie die Stunde so abläuft. Verlass dich auf dein Bauchgefühl. Du bist zu nichts verpflichtet.

Ein guter Lehrer gibt klare Ansagen. Er bietet Varianten an, erlaubt dir, eine Übung auch einmal auszusetzen. Niemals fasst er dich ungefragt an oder betritt deine Matte oder verlässt ohne Ankündigung seine eigene Matte. Er meidet aggressive Hüftöffnungen und lässt dich nicht zu lange in einer Haltung verweilen. Die Einladung ist immer: so gut, wie es dir möglich ist. Was nimmst du wahr? Wie kannst du in der Haltung sein? Wie fließt dein Atem? Es darf auch einmal unbequem sein, soll dich aber nie überwältigen.

Du selbst

Was du tun kannst: Sei dir bewusst, dass du immer eine Wahl hast. Alle Instruktionen sind nur Angebote. Bleib mit deiner Aufmerksamkeit auf deiner Matte – du praktizierst für dich. Yoga ist kein Wettbewerb und verfolgt keine äußerlichen Ziele. Suche dir zu Beginn der Stunde einen Anker, vielleicht eine Kerze, an dem du dich festhalten kannst, wenn es dir zu viel wird. Bringe eine Decke mit für die Endentspannung, damit du dich nicht zu verletzlich fühlst. Erlaube dir, Haltungen auszusetzen, zu verändern oder auch den Raum zu verlassen, wenn du dich überwältigt fühlst. Du musst dich nicht erklären.

Ganz, ganz oft fließen im Yoga Tränen, oft in der Endentspannung. Das ist total okay. Es ist ein Zeichen des Loslassens. Die Tränen sind gar nicht immer gebunden an etwas bestimmtes, sie fließen einfach. Theoretisch kann jede Haltung auch ein Trigger sein. Manchmal ist es schon die Aufforderung, die Augen zu schließen. Denke daran: du bist erwachsen. Du entscheidest. Und wenn Augen zu sich nicht gut anfühlt, dann lässt du sie offen.

Yoga als Ergänzung zur Therapie

Yoga ist in meinen Augen ein kraftvoller Weg zu wachsen, sich auszudehnen. Yoga bietet Kontrolle und dann Freiheit. Yoga kann am Anfang deiner Reise stehen, dich auf deinem Weg begleiten. Therapie ersetzen kann Yoga allerdings nicht.

Wenn du wissen willst, wie du Yoga während der Therapie für dich nutzen kannst oder wenn nach dem Lesen dieses Beitrags noch Fragen offen sind, sprich mich gerne an.