„Achtsamkeit“ ist so ein Modewort, dass ich persönlich nicht besonders mag. Es wird oft so schwammig verwendet, dass es alles oder nichts bedeuten kann. In meinem Wortschatz hieß „achtsam“ immer eher so etwas wie „vorsichtig“, „behutsam“. Wenn ich den Begriff jetzt google, bekomme ich Übungen präsentiert und philosophische Ansätze, Versprechen wie „Stressreduktion um 25 Prozent!“ und eine (sehr lustige) Romanverfilmung.
Präsenz
Was letztlich mit Achtsamkeit erreicht werden will ist Präsenz. Präsent sein, ganz gegenwärtig, ganz im Augenblick. Das ist tatsächlich für sehr viele Menschen sehr schwer und gelingt wenn überhaupt oft nur für kurze Momente.
Wir sind oft so voll mit Terminen und Aufgaben, jonglieren so viele Bälle auf einmal, dass für Präsenz einfach kein Platz ist. Da machst du dann vielleicht deine Achtsamkeitsübung, denkst aber darüber nach, dass du die Wäsche noch aufhängen musst oder du noch einen Zahnarzttermin vereinbaren wolltest, oder dir geht das Gespräch mit dem Kollegen durch den Kopf, dem du keine richtige Übergabe gemacht hast. Du ärgerst dich noch einmal über ein misslungenes Telefonat oder eine verpasste Verabredung. Kurz: du bist überall, nur nicht im Jetzt. Und dann ist sie auch schon dahin, deine Achtsamkeitsübung, die du für dich machen wolltest um weniger gestresst zu sein.
Probleme beim Üben?
Deswegen ja, präsent zu sein, das braucht für die meisten Menschen Übung. Und: präsent sein ist etwas, was sich viele Menschen schon recht früh abgewöhnt haben. Es ist quasi eine Überlebensstrategie, der Versuch, etwas Unangenehmen aus dem Weg zu gehen. Und deshalb können sehr viele Menschen Achtsamkeit nicht einfach üben. Präsent zu sein kann weh tun, sich schrecklich anfühlen, überfordern und überwältigen, gerade auch wenn ein Entwicklungstrauma mit im Spiel ist.
Vielleicht hast du dich schon einmal darin versucht, es hat nicht geklappt und du hast für dich beschlossen, dass das nichts für dich ist. Denn vielleicht ist folgendes passiert: auf einmal hast du angefangen zu schwitzen, oder dein Herz hat ganz schnell geschlagen und es war dir unmöglich, still zu sitzen oder dich zu fokusieren. Oder du bist direkt eingeschlafen, oder wurdest traurig, müde, schwer. All das sind Anzeichen dafür, dass dein Nervensystem auf die Übung reagiert hat – allerdings mit einem starken Impuls, ihr zu entkommen.
Achtsamkeit in der Traumatherapie
Jeder erwachsene Mensch, der schon seine guten und schlechten Erfahrungen gemacht hat, bringt eine bestimmte Kapazität für Präsenz mit. Diese Kapazität kann nur soweit vergrößert werden, wie das Nervensystem Schritt halten kann. Ich kann mich also auch mit Achtsamkeitsübungen überfordern. Trotzdem hast du vielleicht den Wunsch nach mehr Achtsamkeit in deinem Leben – und das zu Recht. Denn echte Lebendigkeit, echtes Leben findet immer nur in der Gegenwart statt. In diesem einen Moment, dem Jetzt.
In der Traumatherapie wird genau daran gearbeitet: Daran, deine Kapazität für Präsenz, für Lebendigkeit zu vergrößern. Immer in dem Wissen, dass dein Nervensystem vorgibt, wie groß die Schritte sein dürfen.
Wenn du das lernen willst, vereinbare gerne einen Termin.
2 Antworten
Liebe Almut,
Danke für deinen Kommentar zu meinem Tagebuch der Fülle 🙂
Ich finde, das passt super zum Thema Achtsamkeit. Zwar dürfen wir alle die Präsenz im jeweils absolut jetzigen Moment üben, aber so ein kleiner Rückblick auf die Woche kann manchmal eben auch Gold wert sein, um die Fülle unseres Lebens zu betrachten, oder gerade auch dann, wenn der Sonntag vielleicht nicht so rosig war 😉
Herzliche Grüße von Gera nach Frankfurt,
Jenny
PS: Trauma- und Körperarbeit sind super!! Sooo wertvoll. Schön, dass du das machst!! 🙂
Liebe Jenny,
du hast recht – genau zu diesem Thema gehört für mich mein Dankbarkeitstagebuch. Und präsent sein kann ich auch in der Rückschau, wenn ich mich verbinde mit dem Gefühl der Dankbarkeit. Damit es vom Kopf eine Etage tiefer rutschen darf. Das war ein toller Impuls, den ich da bei dir gefunden habe. Liebe Grüße aus den Ferien (Sonne und Wind!)
Almut